In der Vergangenheit habt ihr mich oft jammern gehört, wenn ich allein im Gedankenturm und Kollege Steffen ausgeflogen war. Ich erinnere an das Autoradio-Augenlicht-Desaster, an die Augenlicht-Attacke, die Zweite sowie an meinen Text Einsam, überflüssig, Philosoph. Heuer bin ich wieder allein im Turm, denn Kollege Steffen weilt aktuell auf Malle. Da gebe es so schöne Wanderwege, hat er mir versichert. Ich glaube ihm das natürlich. Wie also ist es um mich bestellt, so ganz alleine? Liebe stetig wachsende Groupieschar, ich kann euch versichern: Es wird nicht gejammert. Nein! Diesmal ist alles anders. Ich jauchze und jubiliere!
Von Nico Bensing
Der Reith ist nicht im Turm, und schon läuft es wie am Schnürchen für mich. Beispiel gefällig? Gerne: Gestern arbeitete ich von zuhause aus. Denn im Turm war ja eh niemand. So gegen Mittag hatte ich tierisch Lust auf einen Kaffee. Also ging ich runter und zapfte mir einen. In Eile – und in Gedanken schon wieder am PC sitzend – wollte ich ein paar Stufen auf einmal nehmen. Das misslang, ich blieb an der dritten Stufe hängen. Da ich die Kaffeetasse um alles in der Welt nicht kaputt machen wollte, versuchte ich, das Ding irgendwie in den Händen zu behalten. Koste es, was es wolle. Und siehe da: Es gelang. Aber: Der Kaffee schwappte natürlich über und landete auf einigen Treppenstufen vor mir. Vielleicht ahnt ihr es bereits: Ich – noch immer damit beschäftigt, irgendwie wieder die Balance zu finden – taumelte auf die nächste Stufe und rutschte dort volle Kanne auf dem Kaffeefleck aus. Jetzt entglitten mir nicht nur meine Gesichtszüge, ich legte mich auch noch krachend auf den Hintern. Immerhin: Die Kaffeetasse hielt ich weiterhin in die Luft. Sie überlebte. Und nach einer knappen Stunde putzen waren sämtliche Treppenstufen, Bilderrahmen, Dekokerzen, Bodenfliesen sowie der Schrank unter der Treppe wieder sauber. Ich finde: Das ist absolut ein Grund zum Jubilieren!
Anderes Beispiel? Kein Problem: Mein überaus entzückender Bruder und seine bezaubernde Frau hatten mir einst einen Gutschein geschenkt – für ein Weinseminar in Frankfurt. Ziemlich nett von den beiden. Darauf freute ich mich selbstredend sehr. Denn das Programmheft versprach: Es werden vier Weiß- und vier Rotweine verköstigt, dazu verrät der Sommelier, worauf man bei einem Wein achten kann und sollte und muss und woran man dies und jenes erkennt. Kurzum: für mich als wissbegierigen Trinker ein überaus attraktives Geschenk.
Termin war der jüngste Mittwochabend! Und als es schließlich so weit war, machte ich mich auf zum Bahnhof nach Schlüchtern. Dort stieg ich dann in den Zug nach Frankfurt, eilte eine knappe Stunde später vom Hauptbahnhof hinab zur U-Bahn und schaukelte anschließend ein paar Minuten nach Bockenheim zu meinem Weinseminar. Die Eingangstür des Geschäfts stand bereits offen. Sie wurde von einem im Rahmen stehenden Fahrrad offen gehalten. Ein merkwürdiges Bild, dachte ich so bei mir. Ich trat ein und blickte einem etwas aufgebrachtem Herren in die Augen. Ich sagte: „Hallihallo, ich bin hier wegen des Weinseminars.“ Er antwortete: „Ja, genau das ist das Problem.“ Und dann machte er mir mit wenigen Sätzen klar, dass ich mir in den kommenden Stunden weder Wein rein kippen noch etwas darüber lernen werden würde. Er habe ja nicht mal etwas von diesem Termin gewusst, versicherte er mir. Er sei nur zufällig am Laden vorbeigelaufen. Und ohnehin sei er ja nur ein Angestellter und – so unangenehm ihm das auch sei: Er könne da gar nichts machen. Immerhin: All den umsonst Angereisten schenkte er eine Flasche – nein, keinen Wein – Sekt! Wenn das kein Grund zum Jubilieren ist!
Also packte ich die Flasche Sekt zusammen mit meiner guten Laune in den Rucksack und stapfte wieder zurück zur U-Bahn, die mich dann zum Bahnhof schaukelte, wo ich anschließend wieder in den Regio einstieg, um zurück nach Schlüchtern zu fahren.
Doch gejammert wird nicht, das habe ich euch ja versprochen. Ganz im Gegenteil: Ich freue mich auf’s Wochenende. Denn ich habe mir Folgendes vorgenommen: Ich werde mich mit ein paar Flaschen Wein auf die Terrasse setzen – vier rote, vier weiße – und sämtliche Youtube-Erklärvideos über Wein gucken, die das Internet zu bieten hat. Und wenn ihr dann in der kommenden Woche irgendwelche Fragen haben solltet, meldet euch einfach mit einer Mail an weinschule@bensing-reith.de – ich bin gern für euch da. Ihr seht: Alles eine Frage der Betrachtung. Und jubilieren ist doch viel schöner als schmollen.
Übrigens: Steffen und ich denken schon länger darüber nach, einen eigenen Wein zu kreieren. Was haltet ihr davon? Auch hier freuen wir uns über eine Mail mit Meinungen, Ideen und Kritiken an weinschule@bensing-reith.de.
Ach, ja. Und noch ein letztes Mal übrigens: Auch wenn es bei mir offensichtlich nie so recht läuft, wenn der Reith im Urlaub ist. Einen Erfolg kann ich doch verbuchen. Ratet mal, wo Kollege Steffen ab der kommenden Woche arbeiten wird. Ich sage es mal so: Ich jedenfalls sitze nicht mehr unter der Dachschräge.