Zugegeben: Es gibt wichtigere Dinge als Fußball. Ich muss aber auch sagen: Das gilt nicht immer. Heute zum Beispiel. Denn heute ärgere ich mich. Darüber, dass die Bundesliga am Wochenende beginnt und dieser ganze Zirkus an Kuriositäten kaum zu übertreffen ist. Vor allem ärgere ich mich aber darüber, dass im Amateurfußball vielen Vereinen die Saison wohl aus der Hand gerissen und in die Tonne geschmissen wird. Darunter auch meinem Club, der SG Kressenbach/Ulmbach. Denn wir sind derzeit Tabellenerster – und hätten gute Chancen auf den Gruppenligaaufstieg. Eigentlich.
Von Nico Bensing
Ich muss ja ganz ehrlich sagen: Ich vermisse derzeit nicht viel. Dass keine Konzerte stattfinden? Geschenkt. Kein Kino, kein Schwimmbad, kein Kneipenbesuch – I don’t care. Kein Fußball – mir doch schnuppe. Dass die Bundesliga jetzt mit dem ersten Geisterspieltag der Geschichte um die Ecke kommt, juckt mich auch nicht die Bohne. Immerhin: Sky möchte eine Tonspur mit Fangesängen anbieten, damit es sich am Wochenende wenigstens ein bisschen nach Fußball anfühlt. Natürlich hat die Deutsche Fußball-Liga DFL für den Bundesliga-„Alltag“ strikte Richtlinien erarbeitet. Eine kurze Auswahl daraus lässt dich zumindest schmunzeln, liebe ständig wachsende Fangemeinde, da bin ich mir sicher: Die Auswechselspieler und Trainer müssen Mundschutz tragen, Abklatschen ist zu keiner Zeit erlaubt, die Mannschaften müssen in Kleinbussen zum Spiel anreisen und – Obacht! – Spucken ist selbstverständlich ebenfalls verboten. Das wird alles sicherlich prima funktionieren.
Warum sollte es auch nicht! Denn dass die Vollprofis aus der Bundesliga nicht nur reich sind und Fußball spielen können, sondern auch noch äußerst verantwortungsbewusst agieren, haben zuletzt mindestens Salomon Kalou von Hertha BSC sowie Augsburg-Trainer Heiko Herrlich bewiesen. Spaß. Haben sie natürlich nicht.
Daneben gibt es noch viele weitere DFL-Regeln, die der Infizierung mit Corona vorbeugen sollen: In jedem Stadion dürfen maximal 322 Personen sein. Keiner mehr! Ein Kreis ist vor dem Spiel freilich tabu. Die Teams müssen den Platz einzeln betreten. Mannschaftsfoto und Handshake sind verboten. Ich bin mir aber noch nicht sicher, ob die Spieler bei einer Freistoßmauer den 1,5-Meter-Abstand auch einhalten müssen und wie das bei Eckbällen aussieht. Falls ja, dann kann ich hier stolz verkünden: Das haben wir bei meinem Verein Kressenbach/Ulmbach schon vor Corona so gehandhabt – in weiser Voraussicht freilich. Oder wie unser Trainer Tim „Mulf Kirsten“ Mulfinger dann immer sagte: „Leute, was macht ihr da für einen Scheiß?“
Womit wir endlich da wären, worüber ich mit euch reden möchte: Einen gut gelaunten Fußball-Blogtext gibt’s heute nämlich nicht. Heute ist die Laune eher so semi. Warum? Ich erläutere euch kurz die Fakten: Wir sind aktuell Tabellenerster in der Kreisoberliga Süd. Ja, ich weiß: Du hast nichts anderes von mir erwartet, liebe ständig wachsende Fangemeinde. Und du weißt wiederum: Ich liefere wie gefordert ab!
Jedenfalls haben wir gute Chancen, zumindest die Aufstiegsrelegation für die Gruppenliga zu erreichen, denn der Vorsprung auf Platz drei beträgt satte zehn Punkte. Doch daraus wird nix, so wie es aussieht. Denn die Saison wird wahrscheinlich vorzeitig abgebrochen werden. Über den Aufstieg soll ein Quotient entscheiden. Eine Relegation wird es natürlich nicht geben. Also steigt nur einer auf, und zwar der Erste. Und da Gundhelm/Hutten – unser ärgster Mitstreiter um die Tabellenspitze – zwei Spiele weniger absolviert und nur einen Punkt weniger hat als wir, ist deren Quotient besser.
Du kennst mich, liebe ständig wachsende Fangemeinde: Ich bin Sportsmann durch und durch. Und ich kann auch mit Niederlagen recht gut umgehen. Sicherlich hat Gundhelm/Hutten die deutlich besseren Karten als wir, am Ende der Saison auf Platz eins zu stehen. Dann bliebe uns im Normalfall immerhin noch der zweite Rang und damit die Relegation. Aber die deutlich besseren Karten heißt halt nicht, dass es am Ende definitiv so kommen wird. Denn – Achtung, Phrase! – im Fußball ist alles möglich. Das macht das Wesen des Fußballs und des Sports allgemein aus.
Und noch eine Phrase: Das Spiel ist erst vorbei, wenn der Schiri pfeift. Heißt: Die Saison ist erst zu Ende, wenn alle Spiele gespielt sind. Ich finde es wirklich entsetzlich, dass wir gerade die Tabelle anführen und einfach einen Arschtritt kassieren sollen. Schließlich sind wir nicht in der Wirtschaft oder der Politik, sondern im Sport! Und da muss es fair zugehen. Fragt mal die FIFA.
So wie uns geht es übrigens vielen Vereinen in Hessen. Besonders ärgerlich: Wären wir in Schleswig-Holstein, würden wir aufsteigen. Denn dort ist anders entschieden worden. Wären wir ein Tischtennis-Team, würden wir aufsteigen. Wären wir im Handball, würden wir aufsteigen. Wären wir in Bayern, könnten wir den Aufstieg noch sportlich schaffen – denn dort wird die Saison zu Ende gespielt. Aber wir sind halt in Hessen und spielen Fußball. Diese Kombination bedeutet: Pech gehabt.
Ich bin dafür, dass wir die Saison durchziehen. Egal wann! Ich finde: Das ist die fairste Variante. Oder wie siehst du das, liebe ständig wachsende Fangemeinde?