Auf die Gefahr hin, dass du nicht hundertprozentig meiner Meinung bist, muss ich heute mal über den FC Bayern München schreiben, liebe ständig wachsende Fangemeinde. Mich als Bayern-Fan zu beschreiben, wäre leicht untertrieben. Schließlich bin ich Bayern-Mitglied. Ich hoffe, ich treibe jetzt keinen Keil in dich. Und bitte: Lest alle weiter.
Von Steffen Reith
Nein, ich bin kein Erfolgsfan. Ich habe auch schon schwere Zeiten mit meinem Verein durchlebt. Habe Pokalniederlagen gegen Vestenbergsgreuth (1994) oder Weinheim (1991) erlebt und kann mich auch gut daran erinnern, dass mein Verein früher sogar ab und zu mal gegen den HSV verloren hat. Man sollte nicht meinen, dass so etwas mal passieren konnte. Und über die Traumata in den Champions-League-Endspielen gegen ManU und Chelsea brauchen wir gar nicht reden.
Will sagen: Auch ein Bayern-Anhänger hat schon harte Schläge erlebt. Vielleicht nicht ganz so viele wie ein Eintracht- oder Schalke-Fan, aber es ist tatsächlich schon passiert. Hinzu kommt, dass ich bestimmt achtmal in Folge im Stadion war, ohne einen Bayern-Sieg zu sehen. Heimniederlage gegen Gladbach, Unentschieden gegen Hoffenheim, Vorführung gegen Liverpool – ich war überall dabei.
Meine Liebe zum FC Bayern begann, als ich sechs oder sieben Jahre alt war. Mein Kollege Bensing meint, dass dies dann in den 60ern des vergangenen Jahrhunderts gewesen sein muss. Sehr witzig. Nein, es war zehn Jahre später. Aus dem Jahr 1976 besitze ich bis heute ein Handtuch mit dem Konterfei von Franz Beckenbauer. Ich war damals übrigens tieftraurig, als er zu Cosmos New York ging. Das Handtuch hat bis heute einen Ehrenplatz. Es liegt in dem Schrank, in dem sich auch die Faschingskostüme befinden. Diese werde ich übrigens die nächste Zeit wohl eher nicht brauchen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Zurück zu den Bayern: Zurzeit bin ich natürlich sehr glücklich. Dabei spielen Siege und Titel gar nicht die erste Geige. Vielmehr finde ich es geil, wie gut die Mannschaft spielt, wie die Spieler sich gegenseitig pushen und aufmuntern, wenn etwas mal nicht klappt. Da stellen sich die Erfolge von ganz alleine ein. Aufgrund von Corona ist es natürlich scheiße, dass die Stadien leer sind. Da stellte sich so ein richtiges Champions-League-Halbfinal-Feeling am Mittwochabend auch nur schwerlich vor dem Fernseher ein.
Aber in diesen Zeiten muss man halt umdenken: auch beim Fußballschauen. Ich freue mich jedenfalls darauf, am Sonntagabend daheim im Kreise der Familie bei einem Weizen und einer Tüte Chips das Endspiel gegen Paris zu gucken. Früher wäre ich im Sporthaus oder in der Kneipe gewesen.
Apropos Umdenken: Cool wäre mal, wenn alle Fußballfans unseres Landes am Sonntag hinter dem FC Bayern stünden. Das ist ja leider nicht so oft der Fall. Da freuen sich viele klammheimlich oder auch offensichtlich, wenn sie verlieren. Ich bin da nicht so: Ich freue mich über jeden Sieg von Dortmund oder Leipzig – in der Champions League, versteht sich.
Ein weiteres Beispiel meiner Toleranz: Als mein Sohn Adrian Reith im Kindesalter plötzlich Stuttgart- statt Bayern-Fan sein wollte, habe ich ihm mit dem Entzug des Erbes gedroht. Weil der Bub damals ziemlich materiell veranlagt war, habe ich ihn auf diesem Wege wieder in die richtige Spur gebracht. Heute sympathisiert er mit der Eintracht. Aber freilich wird er am Sonntag den Bayern die Daumen halten. Sonst gibt es nämlich keine Chips, geschweige denn ein Weizen.
Weil das Spiel ja in Lissabon stattfindet, rufe ich meinem Verein ein „Está bem, FC Bayern! “ zu. Das heißt so viel wie: „Los geht’s, FC Bayern“! Ich hoffe, ich habe das richtig ausgedrückt. Ich muss gestehen: Mein Portugiesisch ist etwas eingeschlafen.