Kennst du das, liebe ständig wachsende Fangemeinde? Du freust dich auf ein tolles Ereignis und hast in der Vorbereitung alles dafür getan, dass es so richtig schön wird. Dann kommt der große Abend. Und wenn er dann vorüber ist, ziehst du folgende Bilanz: Es war ganz nett, aber das I-Tüpfelchen hat halt gefehlt. Irgendwie blöd, gell? Nein, ich rede nicht von einem Date ohne das erhoffte Happy End. Ich meine natürlich Fußball. Was hast du denn schon wieder gedacht, liebe ständig wachsende Fangemeinde?
Von Steffen Reith
Fußball ist für mich ein großes Thema. Ich mag Bayern München und schaue mir auch gerne die Barockstadt Fulda-Lehnerz an. Aber mein Herz schlägt schon immer für meinen Heimatverein, die SG Helvetia Kerzell. Da habe ich selbst gekickt, da spielen meine Söhne, da engagiere ich mich aus voller Überzeugung. Und es gibt noch einen Club, der mir in den vergangenen Jahren ans Herz gewachsen ist. Der liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Kerzell und heißt SG Löschenrod. Die beiden Vereine kooperieren bei den Alten Herren, der zweiten Mannschaft und in allen Jugendteams. Da sind im Laufe der Jahre viele Freundschaften entstanden. Es gab schon Zeiten, da habe ich mehr Freizeit in LÖ als in Kerzell verbracht. Natürlich gibt es mittlerweile einen Fanschal mit den Logos und Farben von beiden Clubs. Und natürlich hängt am Löschenroder Sportgelände eine Werbebande unserer sagenumwobenen Agentur.
Löschenrods erste Mannschaft spielt eine Klasse tiefer als Kerzell. Deshalb hat es schon viele Jahre kein Derby unter Wettkampfbedingungen mehr gegeben. Nun aber meinte es die Glücksfee des Kreispokals Fulda richtig gut und loste so clever aus, dass Löschenrod in der zweiten Runde Kerzell empfangen sollte. Da hatten wir doch unser Derby.
Wie das vor solch einem Spiel so ist, wurde von beiden Seiten ein bisschen gefrotzelt. „Kriegt ihr das überhaupt hin, so viele Zuschauer zu versorgen?“ Das beispielsweise wurde Löschenrods Vorsitzender Stefan Müller recht oft gefragt. Müller ist übrigens der Mann der vielen Spitznamen. In Kerzell ist er der „Eismann“, in Löschenrod eher der „Roy“. Wir hätten unter anderem auch noch „Cognac“ oder „Asbach“ im Angebot. Er ist tatsächlich die Inkarnation der Vereinsfreundschaft, denn ohne ihn und seine Arbeit hätten es beide Clubs deutlich schwerer. Das war jetzt mal keine andere Geschichte, maximal war es ein kleiner Exkurs.
Freilich hatte auch ich einen kleinen Anteil an den Vorbereitungen für den schönen Abend. Ich machte Werbung im Verwandten- und Freundeskreis und war an der Organisation eines Fanmarsches von Kerzell nach Löschenrod beteiligt. 25 Leute waren wir immerhin, die sich zu Fuß auf den Weg in den Nachbarort machten. Weil es während der Wanderung bereits das eine oder andere Getränk gab, war die Kerzeller Truppe schon früh gut drauf. Der Löschenroder Bierzapfer war auch aufgrund des Kerzeller Durstes den ganzen Abend gut beschäftigt. Und eine kleine Anekdote zeigt meine eigene Verbundenheit zu beiden Orten auf. Ich holte zehn Bier und ehe ich am Kerzeller Tisch gelandet war, hatte ich schon sechs Gläser an meine Kumpels aus Löschenrod verteilt. Das kam bei den Kerzeller Fans eher semi an.
Erwähnen sollte ich noch, dass es keinen Tropfen regnete, der Schiedsrichter gut pfiff, und die Löschenroder das Catering für mindestens 250 Zuschauer im Griff hatten. Gut, ich musste schon recht lange auf mein Steak warten. Aber ohne diese eine kleine Spitze wäre es wohl kein Reithscher Blogtext. Die Löschenroder Leserinnen und Leser warten bestimmt die ganze Zeit schon darauf.
Ich führte gute Gespräche, lachte viel, trank ein paar Bierchen und blieb recht lange am Sportplatz, ehe ich mich mit Ehefrau Diana R. (Datenschutz!), Sohn Adrian Reith und Nachbar Michi Hasenauer nach Hause machte. Es war ein schöner, ein (fast) perfekter Abend. Deine Frage nach dem I-Tüpfelchen, liebe ständig wachsende Fangemeinde, ist berechtigt. Das hat tatsächlich gefehlt. Kerzell hat verloren. So weit geht die Liebe zu Löschenrod dann doch nicht. Ein Happy End sieht anders aus!