Noch nicht einmal die Hälfte der Fastenzeit habe ich bislang geschafft. Aber über meine Erlebnisse kann ich schon fast ein Buch schreiben. Heute berichte ich über meinen Vater.
Von Steffen Reith
Habe ich eigentlich an dieser Stelle der ständig wachsenden Fangemeinde schon einmal von meinem Vater erzählt? Nicht? Dann werde ich es jetzt nachholen, denn das ist ein interessanter Typ. Er hört zwar ziemlich schlecht und klagt immer mal wieder über Stechen im ganzen Körper, aber er nimmt noch regen Anteil am Zeitgeschehen und liest täglich die Fuldaer Zeitung. Die Zeitschrift für die deutschen Kleintierzüchter liest er auch regelmäßig. Aber nicht täglich. Die erscheint nämlich nur einmal monatlich. Aber das ist ein anderes Thema.
Dass der Kerl recht gut drauf ist, liegt natürlich auch daran, dass er erst 71 Jahre alt ist. Das ist bei einem fast 50-jährigen Sohn nicht selbstverständlich. Er hat halt früh angefangen, der Claus. Meine Mutter war übrigens noch keine 20, als ich auf die Welt kam. Aber über sie habe ich ja schon einmal an dieser Stelle geschrieben, heute ist der Papa dran.
Er sieht übrigens gar nicht aus wie 71 – sondern deutlich jünger. Die guten Gene hat er an mich weiter vererbt. Ich sehe ja auch jünger aus. Jedenfalls jünger als 71.
Wobei sich zurzeit schon einige Menschen tatsächlich über mein Aussehen Gedanken machen. Bekanntlich faste ich ja seit Aschermittwoch Bier, Wurst und Fleisch. Mein Kollege Nico und ich bloggen mindestens einmal die Woche über meine Fasterei. Nach dem jüngsten Beitrag erhielt ich von ehemaligen Kolleginnen via Facebook so mitleidige Kommentare wie „Siehst du schlecht aus“ oder „ganz schmal ist er geworden“. Dass ich im letzten Blogbeitrag etwas ausgemergelt rüberkam, lag hauptsächlich daran, dass Kollege Nico einfach ein blödes Bild von mir gemacht hat.
Kürzlich feierte der älteste meiner Söhne seinen 19. Geburtstag. Oben im Esszimmer saßen die Verwandten, unten im Keller seine Freunde. Es war also was los im Hause Reith. Auf dem Speiseplan standen Currywürstchen. Die gab es damals auch zum 18. – und fanden großen Zuspruch.
Currywürstchen sind an sich ja eine feine Sache. Wenn nicht gerade Fastenzeit ist und der Vater des Geburtstagskindes lauthals verkündet hat, kein Fleisch und keine Wurst zu essen. Aber die Chefköchin hatte mitgedacht und dem Neu-Vegetarier fleischlose Würstchen besorgt. Die brutzelte ich mir dann halt, ehe ich sie in die Soße warf. Übrigens: Geschmacklich waren die Veggie-Würstchen gar nicht so schlecht. Aber man kaut darauf rum wie auf einem gebrauchten Kaugummi. Geschmackssache eben. Und vielleicht auch Gewöhnungssache.
Mein Vater war jedenfalls einer der ersten Gäste bei der Party seines ältesten Enkels. Nun ist die Küche eher nicht sein bevorzugter Aufenthaltsort, aber an diesem Abend war er doch ganz interessiert, was ich mit diesen „Würstchen“ so veranstalte. Er beobachtete, er roch, er drehte die „Würstchen“ gar selbst in der Pfanne. Probieren wollte er sie nicht.
Meine neue Form der Ernährung hatte bei ihm seit Aschermittwoch Skepsis ausgelöst. Diese hat sich seit der Veggie-Currywurst-Aktion nicht gelegt, sondern eher verstärkt.
Nun hat er mich erneut zum Kaninchenbraten-Essen eingeladen. Der Jung muss ja wieder mal was auf die Rippen bekommen. Bei seiner Einladung sagte er: „Da brichst du nicht mal dein Gelübde. Schließlich hat sich das Tier sogar vegan ernährt.“ Da komme ich doch gerne mal rum. Aber erst nach der Fastenzeit.