Das ist doch mal ne Schlagzeile: Steffen Reith hat keinen Lappen mehr. Und schon brodelt die Gerüchteküche: Ist er besoffen aus der Kerzeller Kneipe, aus der Windmühle oder aus sonst einer bevorzugten Lokalität gestolpert? Hat er sich tatsächlich noch ans Steuer gesetzt und ist dabei erwischt worden? Oder ist er einfach gerast? Oder zu dicht aufgefahren? Fragen über Fragen. Und alle kann man getrost mit „Nein“ beantworten. Trotzdem ist die Antwort unschön: Steffen Reith ist alt. Und deshalb musste er den rosafarbenen Lappen, der ihn über Jahrzehnte begleitet hat, nun abgeben.
Von Steffen Reith
„Rosafarbener Lappen“ könnte ja auch ein Synonym für die Zunge sein. Aber die ist ja angewachsen und so nicht austauschbar. Das wiederum ist eine andere Geschichte.
Jedenfalls habe ich mit dem guten alten Führerschein eine ziemlich innige Verbindung. Es hat recht lange gedauert, ehe ich im Besitz einer Lizenz zum Autofahren war. Im dritten Anlauf hatte es dann doch geklappt. Darüber könnte ich jetzt ne Menge Worte verlieren. Aber erstens ist das ne andere Geschichte. Und außerdem ist mir der doppelte Durchfall auch heute noch peinlich. Deswegen erwähne ich auch nicht, dass ich recht schnell zur Nachschulung musste, weil ich den ein oder anderen Unfall hatte. Unter anderem zerlegte ich die Familienkutsche meiner Eltern.
Und noch eines. Das Original aus 1988 wurde mir in der Türkei geklaut. Sechs Jahre später bekam ich dann das Exemplar, von dem ich mich nun nach 30 Jahren trennen musste. Nun fragst du dich, liebe ständig wachsende Fangemeinde, warum in Gottes Namen der Reith solch einen Tamtam um seinen alten Lappen macht. Den gibt man ab, holt sich den handlichen neuen und gut ist.
Das mag ja sein: Aber der alte Lappen besticht einerseits dadurch, dass er mindestens zwei 60-Grad-Baumwollwaschprogrammgänge hinter sich hat. Und natürlich ist das Foto sensationell: Das Konterfei des Anfangzwanzigers zeigt ihn gleich mit zwei Frisuren, die stilbildend für diese Zeit waren. Vokuhila und Oliba. Sieht in der Kombination heute ziemlich scheiße aus. Damals kam es gut an. Und in diesem Zusammenhang fällt mir noch ne Episode aus dem jüngsten Urlaub ein. Da schaute sich die Mitarbeiterin der Autovermietung das Bild an und verfiel in einen Lachflash, den ich so schnell nicht wieder vergessen werde. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie sich an ihre Jugend erinnert fühlte, in der die meisten Jungs so wie ich rumliefen.
Nun ja, es ist wie es ist. Der alte Lappen hat seinen alten Lappen abgeben müssen. Wobei bei dieser Nachricht ne gewisse Unschärfe vorhanden ist. Denn der Führerschein wurde bei der Zulassungsstelle nur für ungültig erklärt, und dann seinem Inhaber wieder in die Hand gedrückt.
Jetzt suche ich einen geeigneten Platz für das Nostalgiestück. Wahrscheinlich lasse ich ihn im Turm. Denn irgendwie habe ich das Gefühl, der Kollege Bensing hat sich zu oft das Bild vom jungen Reith angeschaut. Drei oder vier kleine Korrekturen bei der Frisur und Nico schaut aus wie ein Kind der 90er: mit Vokuhila und Oliba.