Ich habe es angekündigt (Blogtext: Ein Einhorn kommt selten allein), und jetzt wird geliefert. Dies ist kein Weihnachtsmärchen. Es ist einfach nur die Geschichte von fünf Einhörnern, namentlich Ingeborg zwei, drei, vier, fünf und sechs, die dafür sorgten, dass der Weihnachtsmann doch wieder Lust auf dieses vermaledeite Fest hat.
Von Nico Bensing
Die Temperaturen ließen es nicht erahnen, doch die Weihnachtszeit war längst angebrochen. Überall roch es nach Plätzchen und Lebkuchen, Wham! war bereits 135-mal über sämtliche Lautsprecher in die Ohren der Menschen gedrungen – und Ingeborg, die Zweite, schlummerte wie ein Kuscheltier auf der Couch in ihrem Palast. Klar, sie war ja auch ein Kuscheltier.
Plötzlich tat es einen Knall. Es war Ingeborg, die Dritte, schwer beladen mit Kleingeld. Sie war vom Tisch gesprungen, stand direkt vor der Couch und hielt Ingeborg, die Vierte, in ihren Händen – diese war nämlich die Einzige, die sprechen konnte.
Ingeborg, die Vierte, sagte: „Komm, lass uns Einkaufen gehen. Im Karlchen in Fulda ist heute nicht nur Black Friday, sondern auch der Weihnachtsmann.“
Das hörte die Vierte im Bunde, also Ingeborg, die Fünfte. Sie hatte riesengroße Kulleraugen, mit denen sie alle zum Dahinschmelzen brachte. Gemeinsam beknieten sie Ingeborg, die Zweite, also Kuscheltier-Ingeborg, die sich schließlich von ihrer Couch erhob, sich ihren Einhorn-Ring, also Ingeborg, die Sechste, ansteckte, und mithilfe der sprechenden Ingeborg sagte: „Okay. Lasst uns gehen.“
Gemeinsam schlenderten sie also durch das Kaufhaus, bis sie vor einem riesigen leuchtenden Weihnachtsbaum einen Thron stehen sahen. Darauf saß er: der Weihnachtsmann. Doch glücklich sah er nicht aus.
Sie eilten zu ihm und bevor der Weihnachtsmann etwas sagen konnte, hatte sich Kuscheltier-Ingeborg schon auf den Schoß des alten, weißen Mannes gelegt. Sie drückte ihn, so fest sie konnte. Das tat dem Weihnachtsmann gut. Und weil Kulleraugen-Ingeborg ihn dabei so traurig ansah, musste er unweigerlich anfangen zu weinen. Schluchzend sagte er: „Wisst ihr, ich bin es leid, mich immer mit diesen Bälgern herumzuschlagen. Dieses vermaledeite Fest ist nicht mehr mein Weihnachten.“
Und ja, Ingeborg zwei bis sechs mussten dem Weihnachtsmann zustimmen. Aber manche Dinge seien doch bis heute gleich geblieben: „‚Last Christmas‘ zum Beispiel läuft immer noch“, stellte die sprechende Ingeborg fest. Der Weihnachtsmann musste laut lachen und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
Anschließend zog sich Kuscheltier-Ingeborg den Einhorn-Ring, also Ingeborg, die Sechste, ab, schnappte sich flugs die sprechende Ingeborg, die dann wiederum sagte: „Dieser Ring ist deine Eintrittskarte. Mach dir mal ein paar schöne Stunden, ruh dich aus, wir erledigen das hier so lange für dich.“
„Eintrittskarte wofür?“, fragte der Weihnachtsmann. „Und wo muss ich überhaupt hin?“
„Das können wir dir hier nicht verraten. Das ist streng geheim, das darf niemand mitbekommen. Schaue einfach im Gedankenpalast von Bensing & Reith vorbei. Dort bekommst du weitere Instruktionen“, antwortete die sprechende Ingeborg.
Ingeborg, die Dritte, leerte all ihre Taschen mit dem Kleingeld und gab jeden Cent dem Weihnachtsmann. „Damit kannst du dir jetzt vorher noch fix eine Waffel und einen Glühwein kaufen“, sagte die sprechende Ingeborg.
Der Weihnachtsmann bedankte sich: „Eine Pause kann ich gut gebrauchen. Vielleicht habt ihr Recht und ich bin einfach nur überarbeitet. Hach, ich spüre schon neue Energie in mir aufkommen. Danke, ihr fünf Einhörner. Ich lass es mir jetzt gutgehen. Und ihr könnt ihr euch derweil schon auf eure Weihnachtsgeschenke freuen.“
Doch das war den Ingeborgs gar nicht so wichtig. Sie verbrachten noch ein paar vergnügte Stunden im Kaufhaus und wussten zufrieden, dass sie es waren, die dem Weihnachtsmann den klitzekleinen, aber nötigen Schubs in die richtige Richtung gegeben hatten.