Es muss perfekt werden

Ein eigenes Haus zu bauen ist toll! Aber auch anstrengend. Oftmals muss zügig etwas fertig werden, sonst droht der Baustopp. Manchmal will mein Haus aber nicht so, wie ich will. Eine Sache habe ich daraus gelernt.

Von Nico Bensing

Es ist ein ganz großer Meilenstein in der Geschichte meines Hausbaus: Die Fenster sind drin! Anfang März haben wir sie eingebaut, dafür hatte ich mir extra einen Trupp aus Helfern organisiert, alles coronakonform freilich. Muss man ja heute dazu sagen. Das Ergebnis: Was mein lieber Kollege Steffen schon lange nicht mehr ist, das ist mein Haus jetzt: dicht. Kleiner Scherz.

Der Fenstereinbau jedenfalls lief perfekt.

Und genau das ist ja auch mein Anspruch: Ich möchte, dass das erste Haus, das ich in meinem Leben baue, absolut perfekt wird. Schließlich ist es vielleicht auch das letzte Haus, das ich in meinem Leben bauen werde.

Und so gehe ich jeden einzelnen Bauschritt an. Ein Beispiel: der Einbau des WC-Vorwandelements im Bad, also das Teil, an das später mal die Toilette geschraubt wird. Damit das Ding hält, beauftragt mich die Sanitärfirma damit, einen sogenannten Wechsel in der Wand einzubauen, also einen Querbalken, an dem das Vorwandelement festgeschraubt werden kann. Ich nicke eifrig, messe, säge und merke: Der Balken ist noch zu lang. Mist. Macht aber nix, kann ich ja weiter kürzen. Und so geschieht es auch, mehrfach, in kleinen Schritten, Stück für Stück, bis der Balken schließlich passt, und zwar – genau: perfekt.

Dann aber merke ich: Ich habe gar keine passenden Winkel, um den Wechsel festzuschrauben.

Tags darauf komme ich nach der Arbeit mit passenden Winkeln auf meine Baustelle und sehe: Die zwei Jungs von der Sanitärfirma haben sich bereits selbst geholfen – und einfach ellenlange Schrauben schräg in meinen feinsäuberlich geschnittenen Balken gefeuert. Sieht wüst aus. Und definitiv nicht perfekt. Meinen kritischen Blick bemerkt der Längere der beiden. Er sagt: „Hauptsache, das Ding hält. Wir hätten ja jetzt nicht den ganzen Tag Däumchen drehen und auf dich warten können. Dafür willst du uns nicht bezahlen, Nico.“

Da hat er recht. Aber dem Ästheten und Hausbau-Perfektionisten in mir behagt so etwas überhaupt nicht.

Nächstes Beispiel: Elektroverkabelung. Durch meinen Keller müssen drei Löcher gebohrt werden, damit ich auch dorthin Kabel für Steckdosen und Licht ziehen kann. Meine Vorstellung: die Bohrungen dafür direkt an der Wand zu machen, grade runter und schön im gleichen Abstand zueinander.

Als mein Kumpel das erste Loch zu bohren versucht, dauert es fünf Minuten, bis der Bohrer kolossal klemmt. Also müssen wir den Boden aufstemmen. Was für eine Sauerei! Und definitiv nicht perfekt. Aber immerhin befreien wir ihn wieder und können weiter bohren – knapp 15 Minuten lang. Dann die Erkenntnis: Da steckt ein alter Stahlträger im Boden.

Mein Kumpel: „Nico, das wird schwierig, da durchzukommen.“

Ich: „Wir probieren es trotzdem.“

Als nach weiteren zehn Minuten klar ist, dass es nix wird, sage ich genervt: „Weißt du was? Wir rücken jetzt einfach ein Stück zur Seite und von der Wand weg und bohren da schräg durch. Ist mir echt scheißegal jetzt. Hauptsache, ich krieg die Kabel irgendwie da runter.“

Mein Kumpel: „Nico, bist du dir sicher? Du wolltest das ja eigentlich anders haben.“

Ich: „BOHR DA JETZT DURCH!“

Stille.

„Entschuldigung“, sage ich und denke: Scheiß auf den Perfektionisten in mir, Hauptsache wir kommen irgendwie voran.

Wenn ich in der Bauphase eines gelernt habe, dann das: Perfektion ist der Feind des Häuslebauers. Zumindest für denjenigen, der auch irgendwann in sein Haus einziehen und nicht ewig bauen will.

So ganz abfinden möchte ich mich damit aber dennoch nicht. Schließlich baue ich ja nur einmal. Wie perfekt ich mein Vorhaben am Ende tatsächlich umsetzen kann, zum Beispiel beim Anbringen der Tapete, beim Legen der Fliesen oder bei der Elektroverkabelung, das verrate ich dir dann auf der Einweihungsparty. Kollege Steffen witzelt schon, dass er die nicht mehr erleben wird, wenn ich weiterhin auf Vollkommenheit beharre. Aber was die Unterschiede zwischen ihm und meinem Haus sind, das hatten wir ja schon. Mein Heim ist dicht – und wird perfekt.

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