Heute möchte ich von einer Charaktereigenschaft erzählen, die mir so ganz und gar nicht zu eigen ist: Zorn. Ein Gefühl, das ich überhaupt nicht zu kennen dachte. Bis heute Morgen.
Von Nico Bensing
Liebe stetig wachsende Groupieschar, ohne mir selbst auf die Schultern klopfen zu wollen, muss ich mir neidlos anerkennen: Ich bin ein sehr genügsamer Mensch. Das heißt: Ich kann mit durchaus wenig zufrieden sein. Das haben mir nicht zuletzt meine Aufenthalte im Ausland bewiesen.
Bestes Beispiel Neuseeland: Nach dem Abi und der Bankkaufmannslehre (Papa: „Jung, lern was Gescheites!“) stieg ich in den Flieger gen Ozeanien. Voller Tatendrang, Abenteuerlust und Enthusiasmus verließ ich Deutschland und flog wahrhaftig ans andere Ende der Welt. Knapp 20.000 Kilometer ist Neuseeland von der Heimat entfernt, weiter weg geht es also wirklich nicht. Und dort musste ich einige Male sehr „einfach“ leben, sprich: mit den kleinen Dingen zufrieden sein. Eigentlich war der Plan, dort regelmäßig zu schuften und das ganze Land — also Nord- und Südinsel — zu bereisen. Nun ja, Nord- und Südinsel habe ich gesehen. Das mit dem Arbeiten hat eher so semi geklappt.
Was nicht an mir, meinem Tatendrang, der Abenteuerlust oder meinem Enthusiasmus lag, natürlich nicht. Es lag schlicht an der Tatsache, dass ich stetig reisen und so viel sehen wollte wie möglich. Und so war es verdammt schwer, Arbeit zu finden. Alle potenziellen Arbeitgeber sagten: „Du kannst gerne hier arbeiten. Dann musst du mir aber zusichern, dass du mindestens drei Monate bleibst.“ Sie sagten das natürlich auf Englisch und mit ihrem wunderbaren Kiwi-Akzent. Die Sätze endeten meist mit einem „Sweet as, Bro!“ Klar war: Wenn ich drei Monate an einem Fleck arbeite, funktioniert das mit dem Reisen nicht. Also entschied ich mich, von Luft und Liebe zu leben. Und so arbeitete ich zwar hin und wieder mal auf Weingütern, einer Kiwifarm, Weingütern oder Weingütern. So richtig viel Kohle konnte ich jedoch nicht ansammeln.
Und deshalb hieß es: Verzichten! Also kauften wir den Wein im Tetra-Pak, schliefen unter dem Sternenzelt (was in Neuseeland nicht so wirklich erlaubt ist) und aßen die verrücktesten Sachen, wenn das Geld arg knapp wurde. Beispiel: Zum Einkaufen war kein müder Dollar mehr da, und wir hatten ausschließlich einen Sack Zwiebeln und geriebenen Käse in unserem Lebensmittelbestand. Ich frage mal so: Hat jemand von euch schon mal einen Zwiebelauflauf gegessen? Nicht empfehlenswert.
Natürlich kann ich in anderen Phasen meines Lebens auch genießen. Ich erinnere mich da an einen lupenreinen Champagner-Exzess auf Malta. Aber das ist eine andere Geschichte. Worauf ich hinaus möchte: Ich kann mich den Umständen anpassen, ohne dass meine Laune darunter leidet, ohne dass ich wütend, neidisch, sauer oder zornig werde. Ich ruhe buddhistisch in mir, quasi. Das ist tatsächlich auch eines meiner Lebensziele.
Bei einer Sache klappt das aber ganz und gar nicht: Wenn etwas nicht so funktioniert, wie ich das möchte — und ich keine Möglichkeit habe, das zu ändern. Und da hätte ich gleich zwei Beispiele parat, beide von heute Morgen.
Erstens: Ich fahre mit dem Auto gen Gedankenturm. Mein Radio (ihr erinnert euch vielleicht daran, wie ich es eingebaut habe) hat einen USB-Ausgang, sodass ich mein Handy daran anschließen kann. Das mache ich gern, denn auf meinem Smartphone habe ich ziemlich gute Musik. Heute Morgen aber wollte das Ding einfach nicht. Die Musik lief, dann wurde das Handy plötzlich nicht mehr vom Radio erkannt, dann doch wieder, also lief die Musik wieder, dann doch nicht mehr, also unterbrach die Musik! Jetzt könntet ihr ja sagen: „Mensch, Nico. Das Kabel hat einfach einen Wackelkontakt!“ Dann würde ich euch antworten: „Nein, ich habe das bereits mit fünf verschiedenen Kabeln getestet. Bei allen geht es mal völlig problemlos. Und dann wieder nicht.“
Ich bin hilflos. In solchen Momenten könnte ich glatt aus der Haut fahren, mein Handy vom Kabel reißen und es mit einer derartigen Wucht aus dem Fenster werfen, dass es auf der Straße in mindestens 1000 Teile zerschellt.
Zweitens: Ich komme im Gedankenturm an und sitze am Schreibtisch. Ich möchte ein paar Fotos verschicken. Dazu möchte ich die Seite wetransfer.com öffnen. Aber: geht nicht. Lädt einfach nicht. Also prüfe ich die Verbindung: voller Empfang. Also denke ich: Router neu starten. Gesagt, getan. Keine Veränderung. Ich bin wieder hilflos. Und da platzt es aus mir heraus. Ich kloppe wie ein Bekloppter auf meinem Schreibtisch rum und will am liebsten meinen Laptop, den Monitor, die Tastatur, die Maus und alles, was auch nur im Entferntesten mit Technik zu tun hat, mit einem Vorschlaghammer zertrümmern. Steffen ist zwar im Moment nicht da, der müsste aber auch keine Angst haben. Der Mann hat ja nichts mit Technik zu tun.
Leider hab ich keinen Vorschlaghammer und prügle deshalb einfach mal auf die Wand ein und brülle dabei so laut ich kann. So ein Zores mit der verdammten Technik! Mein Zorn ist zwar nicht weg, dafür tut mir jetzt mein kleiner Finger weh. Ein Thema für meinen Blogtext hätte ich auch. Immerhin. Und eine Frage auch noch: Was weckt in euch denn dieses unsägliche Gefühl des Zorns? Ich würde mich über Kommentare freuen.
Tschüss, schönes Wochenende!