Irgendwie sind bei uns im Lande ne Menge Jobs frei. Beziehungsweise sie werden frei. Bundestrainer(in), Bundeskanzler(in), Bayern- oder Eintrachtcoach – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Vielleicht kommen bald schon Gesundheitsminister(in) oder Erzbischof von Köln hinzu. Wer weiß das schon? Wir haben ein probates Mittel entwickelt, das so sicher ist wie AstraZeneca oder Sputnik V. Rollentausch – nicht zu verwechseln mit Partnertausch. Und wie du es von uns gewohnt bist, liebe ständig wachsende Fangemeinde: Wir gehen mit gutem Beispiel voran.
Von Steffen Reith
Alles ist anders im Turm, seitdem wir beschlossen haben, mal sauber die Aufgaben und Rollen in unserem Betrieb durchzumischen. Gut, das ist in einem Zwei-Mann-Betrieb nicht ganz so schwierig. Allerdings sind im Laufe unserer langen Firmenhistorie ja schon gewisse Strukturen gewachsen. Ich – zum Beispiel – spüle, putze, sauge, bringe den Müll raus und koche den Kaffee. Ich kümmere mich um viele administrative Dinge, mache Termine, organisiere, schreibe Angebote, frage nach und netzwerke wie ein Weltmeister. Dass ich die besseren Blogtexte verfasse, verschweige ich an dieser Stelle. Ich bin ja ein bescheidenes Kerlchen. Und ich habe noch eine wichtige Aufgabe: Ich bin der Typ mit den Ecken und Kanten: Ich lege mich mit den Leuten an und trete dann auf den Plan, wenn uns etwas nicht passt. Nico hingegen ist wahrlich „everybody’s darling“. Das geht soweit, dass eine Geschäftsfreundin den Tonfall von hartem Businesstalk in ein säuselndes „Nicoooo“ ändert, wenn sie bemerkt, dass der Kollege auch mal im Turm ist.
Ich bin jedenfalls der „bad cop“ der Kompanie. Und genau das war der Grund, warum ich auf diesen Tausch auf Zeit bestanden habe. Ich möchte auch mal von den Kundinnen und Kunden gemocht werden. Und der Kollege darf auch gerne mal seine böse Seite entdecken. Nunja, seit einigen Tagen läuft das Projekt – und ich muss sagen: So geil ist es nun auch wieder nicht. Es ist zwar ausgesprochen interessant zu erfahren, wie der Kollege der Kundschaft mitteilt, dass sie abends um acht keine kurzfristige Pressemitteilung mehr bekommt. Da bricht er sich echt einen ab. Andererseits muss ich jetzt den ganzen technischen und finanziellen Scheiß machen, den ich gar nicht kann und mag. Homepages anpassen, Flyer gestalten, Überweisungen tätigen – und in der Dachschräge sitzen.
Außerdem bin ich jetzt der Schriftführer im Roland-Kaiser-Fanclub, und er darf Präsident sein. Dauernd fragt er nach, wann denn endlich die Vereinssatzung fertig ist. Man kann schon fast von Schikane sprechen. Die Rolle des „bad cops“ hat er schnell verinnerlicht – zumindest hier im Turm.
Anfang nächster Woche ist das Rollenspiel aber vorüber – ich kann nicht verhehlen, dass ich gar nicht so böse bin, wieder den Bösen und die Putzfrau zu mimen. Der Tausch war ne interessante Erfahrung – das war es dann aber auch.
In anderen Bereichen kann ich mir diesen Rollentausch auch prima vorstellen: Ich bin zum Beispiel dafür, dass Hansi Flick ab Oktober nicht Bundestrainer, sondern Bundeskanzler wird. Denn wer das Rückgrat hat, den ganzen Bayern-Vorstandsdiven ne lange Nase zu machen, der kann auch Kanzler. Mindestens genauso gut wie die ganzen Herrschaften, die sich zurzeit um diesen Posten prügeln. Dafür könnte ja wiederum Armin Laschet Bayern-Trainer werden. Da darf man – wie erwähnt – ja eigentlich gar nicht so ne starke Persönlichkeit sein. Da könnte er sich dann weiterhin auf der Nase herumtanzen lassen. Nur halt von Salihamidzic statt Söder – damit kommt er bestimmt zurecht.
Welche Rollen könnten noch besetzt werden? Vorsitzender der DSDS-Jury, einige Fußballtrainerposten, Kerzeller Ortsvorsteher, ab Oktober jede Menge politische Ämter in Berlin – ich freue mich auf Vorschläge aus der ständig wachsenden Fangemeinde, wer das übernehmen könnte.
Für eine ganz wichtige Aufgabe hätte ich ja den richtigen Mann: Die Rolle als Prinzgemahl der Queen ist kürzlich frei geworden. Das Engagement dürfte zeitlich begrenzt sein. Ich könnte ja Nico den Britinnen und Briten ausleihen. Aber da müsste er den „bad guy“ mimen. Macht er ja nicht so gerne. Und bevor du, liebe ständig wachsende Fangemeinde, auf dumme Ideen kommst: Ich selbst stehe für diese Aufgabe nicht zur Verfügung. Mein Englisch ist zu schlecht.